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Perfluorierte Tenside (PFT)

Ableitung eines PFT-Grenzwerts für Klärschlamm

Das Bundesumweltministerium schlägt im Arbeitspapier zur Novelle der Klärschlammverordnung[1] von 2010 einen Grenzwert für perfluorierte Tenside (PFT) im Klärschlamm vor. Während bislang weder für Lebensmittel noch für Gewässer oder Abwässer verbindliche Grenzwerte für PFT existieren, wurde mit der Novelle der Düngemittelverordnung vom 16.12.2008 ein Grenzwert in Höhe von 0,1 mg/kg TM für Düngemittel festgelegt, der für Klärschlämme und Bioabfälle ab 2015 gelten soll.

Verschiedene Studien haben sich in den vergangenen Jahren mit der Bewertung des Gefährdungspotenzials von PFT für die Umwelt befasst, wobei eine abschließende Bewertung insbesondere hinsichtlich des Gefährdungspotentials von PFT in Düngemitteln bislang noch nicht vorliegt:

  • Das Bundesinstitut für Risiko­bewertung (BfR)[2] schlägt einen vor­läufigen TDI (Tolerable Daily Intake) von 0,1 µg/kg (100 ng/kg) Körpergewicht für PFOS vor. Aufgrund der mangelnden Datenbasis erweist sich eine Risikobewer­tung der durch den Verzehr von Lebensmittel hervorgerufe­nen PFT-Be­lastung für den Menschen jedoch als schwierig. Grundsätz­lich seien PFT in das na­tionale Lebensmittelmonitoring aufzunehmen, so­bald die Ent­wicklung und Standardisierung der analytischen Methoden dies ermöglicht, so das BfR.

  • Die Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesund­heit beim Umweltbundesamt (TWK) erachtet einen Leitwert von 300 ng/l Trinkwasser (Summe aus PFOA und PFOS) als lebenslang duldbar[3]. Im Sinne einer lebenslangen ge­sundheitlichen Vorsorge schlägt sie als Zielwert die Einhal­tung von maximal 100 ng/l (Summe aller PFT) im Trinkwasser vor; die bisherigen PFT-Funde im Trinkwasser gäben nach aktuellem Kenntnisstand keinen Anlass zu einer gesundheitlichen Besorgnis.

  • Das Land Nordrhein-Westfalen[4] strebt sowohl für Gewässer als auch für Abwassereinleitungen in Gewässer eine PFT-Kon­zentration von we­niger als 300 ng/l an. Darüber hinaus gilt für Klärschlamm, dass diese bei einer PFT-Konzentration von mehr als 100 µg/kg TM nicht mehr landbaulich verwertet werden dürfen. In­zwischen sind auch andere Bundeslän­der dazu übergegangen, die landbauliche Verwertung von Klärschläm­men bei Gehalten von mehr als 100 µg/kg TM zu verbieten.

  • Das Bielefelder Institut für Umwelt-Analyse (IFUA-Projekt-GmbH) hat ein Konzept[5] zur Bewertung von PFT er­stellt, das dem PEC-PNEC-Ansatz folgt. Wesentlicher Be­standteil der Bewertung sind Schätzverfahren, die wegen feh­lender Datengrundlagen mit großen Unsicher­heiten verbunden sind. Schutzgutgefähr­dungen sind demzufolge bei PFT-Gehal­ten, die unter den nachfolgend genannten Werten liegen, un­wahrscheinlich:

    Boden: 25.000 µg/kg TM
    menschliche Gesundheit:  90.000 µg/kg TM
    Oberflächenwasser: 7.000 µg/kg TM
    Grundwasser: 1.000 µg/kg TM

  • In einem PFT-Screening von bayerischen Böden[6] konnte nur in 6 von 25 Oberbodenproben landwirtschaftlich genutzter Böden Spuren von PFOS und PFOA nachgewiesen werden. In den mit Klärschlamm oder Bioabfallkompost gedüngten Böden wurden keine bzw. in zwei Fällen nur Spuren von PFT nachgewiesen.


PFT im Klärschlamm

Der Eintrag von PFT in Klärschlamm erfolgt in erster Linie durch die Einleitung von belasteten Abwässern in die Kläranlagen[7]. Aufgrund der hohen Wasserlös­lichkeit von PFT ist jedoch anzunehmen, dass der größte Teil mit dem Kläran­lagenablauf in die Oberflächengewässer und schließlich auch in Grund- und Trinkwasser gelangt[8]. Nur ein ver­gleichbar geringer Teil des PFT wird in der Kläranlage an den Klär­schlamm gebunden. Auch ist ein Eintrag von PFT in Nahrungsmittel über den Pfad „Düngung mit Klärschlamm“ kaum zu be­fürchten, da PFT wegen ihrer Molekülgröße von Pflanzen kaum aufgenommen werden[9]. Obwohl somit nur eine vergleichbar geringe Gesundheitsge­fährdung durch PFT-Gehalte im Klärschlamm zu besorgen ist, wurden für Klärschlamm bislang die schärfsten Maßnahmen ergriffen und die strengsten Grenzwerte vorgeschlagen.

Selbst wenn im Falle hoher PFT-Einträge die landwirtschaftliche Ver­wertung der belasteten Klärschlämme unterbunden wird, bleibt die PFT-Einleitung in das Abwasser weiterhin erlaubt. Lediglich NRW hat bislang einen Zielwert für PFT-Gehalte im Abwasser definiert, dessen Überschreitung jedoch keine Konse­quenzen für den Emittenten hat. Als Alternative zur Klärschlammverwertung bietet sich nur die Verbren­nung an. Hierbei ist jedoch keinesfalls sicherzustel­len, dass diese eine schadlose thermische Zersetzung der PFT-Verbindungen gewähr­leis­tet. Der BUND NRW befürchtet, dass bei der Verbrennung möglicher­weise toxische Zersetzungsprodukte entstehen, die über das Abgas weiträumig ver­teilt werden[10].

Ableitung von Grenzwerten für PFT im Klärschlamm

Ausgehend von dem von der Trinkwasserkommission (TWK) herangezogenen le­benslang gesundheitlich duldbaren PFT-Leitwert im Trinkwas­ser lässt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgender Orientierungswert für Klär­schlämme ableiten:

Der für den Erhalt der menschlichen Gesundheit akzeptable PFT-Leit­wert von 300 ng/l im Trinkwasser (Summe PFOS und PFOA) ist zwei­fellos auf Bereg­nungswasser in der Landwirtschaft übertragbar. Bei Ersatz der mittleren jährlichen Niederschlagsmenge11 von 800 l/m2 durch Beregnungswasser zur Deckung des Wasserbedarfes einer Ackerkultur ergäbe sich bei der lebenslang duldbaren PFT-Belastung des Beregnungswassers in Höhe von 0,3 µg/l (PFOA+PFOS) eine zulässige Fracht von 240 µg/m2. In drei Jahren würde diese Fracht 720 µg/m2 betragen. Eine solche PFT-Fracht müsste nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch für die Düngung mit Klärschlamm zulässig sein. Bei der höchstens zulässigen Aufbringung von 5 t Klärschlamm-Trocken­masse pro Hektar in drei Jahren (entspricht 0,5 kg TM/m2) würde dies einen zulässigen Höchstwert von 1.440 µg PFT pro kg Klärschlamm-Tro­ckenmasse ergeben.

Analog lässt sich aus dem vom BfR festgesetzten TDI-Wert (Tolerable Daily In­take) für PFOS ein entsprechender Wert für Klärschlamm ab­leiten. Wenn eine lebenslange tägliche Zufuhr von 0,1 µg/kg Körpergewicht und Tag für den menschlichen Organismus unbedenklich ist, sollte eine tägliche Zufuhr von 0,1 µg pro kg Boden und Tag als ebenso unbedenklich beurteilt werden. Unter der Annahme einer Bodentiefe von 30 cm und -dichte von 1,3 g/cm3 ergibt sich pro m2 Bo­den eine täglich tolerierbare Dosis von 39 µg PFT. Dies ent­spricht in drei Jahren 42.705 µg/m2. Angenommen, diese zulässige Höchstmenge würde ein­zig durch Klärschlamm ausgebracht, könnte ein PFT-Gehalt von 85.410 µg/kg TM für Klärschlämme als unbedenklich betrachtet wer­den.

Schlussfolgerung

Sowohl die Berechnungen des IFUA als auch die oben genann­ten Rechenbeispiele machen deutlich, in welchem Missverhält­nis der disku­tierte PFT-Grenzwert von 100 µg/kg TM im Klärschlamm zum tatsächlichen Gefährdungspoten­zial steht. Ausgehend vom PFT-Leitwert für Trinkwasser kann ein Grenzwert für Klär­schlamm auf beispielsweise 1000 µg/kg TM (Summe aus PFOS und PFOA) herangezogen werden. Die dar­aus resultierende maxi­male PFT-Fracht aus Klärschlamm liegt deut­lich unter der oben abgeleiteten maximalen Fracht bei der Beregnung mit Trink­was­ser, das den lebenslang duldbaren Leitwert der Trink­wasserkommis­sion unter­schreitet. Eine Schutz­gutgefährdung analog der vom IFEU-Projekt GmbH errechneten Werte ist nicht zu besorgen.

Ein PFT-Grenzwert für Klärschlamm führt weder zur Verringe­rung des PFT-Eintrags in die Kanalnetze, noch zur Verringe­rung des PFT-Austrags aus der Kläranlage in den Vorfluter. PFT-be­lasteter Klärschlamm müsste thermisch verwertet werden. Bei der Klärschlammverbrennung kann eine schadlose Zer­setzung der PFT-Verbin­dungen jedoch nicht sichergestellt werden. Vielmehr ist eine weiträumige Verteilung von toxischen Zersetzungsprodukten über die Ab­gase zu befürchten.

Folglich besteht der größte Handlungsbedarf unzweifelhaft darin, die Ein­leitung PFT-haltiger Abwässer in die Kanalnetze zu un­terbinden. Hier ist die Festset­zung von Leitwerten bislang völlig unzurei­chend. Da das Gefährdungspotenzial PFT-haltiger Abwässer hinrei­chend bekannt ist, erscheint ein Verbot der Einleitung PFT-haltiger Abwässer in Abwassersysteme und Gewäs­ser unerlässlich. Mit einem solchen Verbot bzw. einem geeigneten Grenzwert (z.B. 300 ng/l Abwas­ser) wäre ein Grenzwert für Klärschlämme obsolet.

QDR e.V., im Februar 2013

 

Literatur:

[1] BMU (2010): „Neufassung der Klärschlammverordnung (AbfKlärV)“2. Arbeitsentwurf Stand: 20.08.2010“. http://www.bmu.de/abfallwirtschaft/downloads/doc/46373.php

[2] BfR (2006): Stellungnahme des Bundesinstitut für Risikobewertung Nr. 35/2006 vom 27.07.2006 „Hohe Gehalte an perfluorierten organischen Tensiden (PFT) in Fischen sind gesundheitlich nicht bedenklich“. www.bfr.bund.de/cd/8144

[3] UBA (2007): Stellungnahme der Trinkwasserkommission vom des Bundesministeriums für Gesundheit vom 07.08.07 „Aktuelle gesundheitliche und gewässerhygienische Bewertung perfluorierter Verbindungen (PFC)“. www.umweltdaten.de/wasser/themen/trinkwasserkommission/fazit-hbm-studie-...

[4] MUNLV NRW (2007): Pressemitteilung vom 20.12.2007: „Uhlenberg: NRW ist Vorreiter bei der PFT-Bekämpfung“. www.umwelt.nrw.de/ministerium/presse/presse_aktuell/presse071220a.php

[5] IFUA-Projekt GmbH (2007): „Vorsorgeorientiertes Konzept zur Bewertung organischer Kontaminaten in Sekundärrohstoffdüngern“. Abschlussbericht, unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des UBA, FKZ 360 13 007 Bielefeld

[6] Joneck, M. und Müller, Christa (2007): „PFT in Böden ein Problem? – PFT-Screening in bayerischen Böden“. Bodenschutz 3 / 2007

[7] Lange, F., Schmidt, C. K. und Brauch, H.-J. (2007): „Perfluorierte Tenside: Der PFOS (Perfluoroctansulfonat)-Ersatzstoff PFBS (Perfluorbutansulfonat) beeinflusst zunehmend die Rohwasserqualität von Rheinwasserwerken“. GWF Wasser Abwasser, 148 (7-8)

[8] Lange, F. et al. (2004): “Determination of Perfuorinated Carboxylates and Sulfonates from Aqueous Samples by HPLC-ESI-MS-MS and their Occurence in Surface Waters in Germany”. SETAC Europe, 14th Annual Meeting, Abstract Book, Prague, Czech Republic

[9] Harms, H. (1989): „Aufnahme, Metabolismus und Persistenz organischer Chemikalien in pflanzlichen Systemen“. In: Wissenschaftliche Berichte über Landwirtschaft und Ernährungswissenschaften in NRW, Band 46 von Forschung und Beratung Reihe C, S. 155-173.

[10] BUND NRW (2007) Pressemitteilung vom 21.02.2007 „Umweltschützer befürchten landesweite Verseuchung - BUND: Kein Persilschein für Verbrennung der PFT-Schlämme“. www.bund-nrw.de/pm102007_pft_verbrennung.htm und www.bund-nrw.de/documents/StellungnahmeBUNDNRWzurPFTVerbrennung.pdf

[11] Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (2005: Hydrologischer Atlas Rheinland-Pfalz, Mainz

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