12.12.2013 18:01 Von: QDR-Team

Beendigung der Kreislaufwirtschaft bei Abwassersubstraten schädigt Umwelt und Verbraucher

Die große Koalition hat beschlossen, dass die Verwertung von kommunalen Abwassersubstraten beendet werden soll. Phosphor und andere Nährstoffe sollen „zurückgewonnen“ werden. Die QDR e.V. sieht darin einen schwerwiegenden politischen Fehler, da seine Umsetzung ökologisch und ökonomisch und damit für das Wohl der Allgemeinheit insgesamt schädlich sein wird.


Die große Koalition hat beschlossen, dass die Verwertung von kommunalen Abwassersubstraten beendet werden soll. Phosphor und andere Nährstoffe sollen „zurückgewonnen“ werden. Die QDR e.V. sieht darin einen schwerwiegenden politischen Fehler, da seine Umsetzung ökologisch und ökonomisch und damit für das Wohl der Allgemeinheit insgesamt schädlich sein wird.

Offensichtlich ist man aber fest entschlossen, eine solche Regelung „zügig umzusetzen“, so die Formulierung im Koalitionsvertrag. Hintergrund ist dabei vermutlich das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission jüngst wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie gegen Deutschland eröffnet hat. Die Bundesregierung ist deshalb gezwungen, drastische Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes von Stickstoff aus Düngemitteln zu beschließen. Alle bisher gemachten Vorschläge im Rahmen einer Verschärfung der Düngeverordnung wurden von der EU-Kommission als nicht ausreichend abgelehnt, während sie von Verbänden der Landwirtschaft als zu weitgehend kritisiert wurden.

Verringerung der Stickstoff-Auswaschung durch Beendigung der Düngung mit Abwassersubstrat?

Auf den ersten Blick scheint ein Düngeverbot von Abwassersubstraten vielversprechend: Bei einem mittleren Stickstoffgehalt in Höhe von 4,7 % in der Trockenmasse werden jährlich rund 26 Millionen Tonnen Stickstoff weniger auf deutschen Ackerböden ausgebracht, wenn die Düngung mit Abwassersubstraten vollständig unterbleibt. Eine so deutliche Verringerung des Einsatzes von Stickstoff muss zwangsläufig auch zu einer Verringerung der Stickstoffauswaschung und damit eine Verringerung des Nitratgehaltes des Grundwassers zur Folge haben – könnte man schlussfolgern.

Doch erst bei genauerer Betrachtung der Zusammenhänge offenbart sich die tatsächliche Wirksamkeit der geplanten Maßnahme:

Zum einen ist der Stickstoff in Abwassersubstrat größtenteils organisch gebunden, und kann deshalb nicht in tiefere Bodenschichten ausgewaschen werden. Der lösliche Stickstoff-Anteil beträgt durchschnittlich ca. 15 % des Gesamtstickstoffs, so dass für die Verringerung des Stickstoffeinsatzes nur 4 Millionen Tonnen angerechnet werden können. Der Einsatz von Abwassersubstrat unterliegt in Deutschland den strengsten behördlichen Auflagen und Kontrollen, die es für Düngemittel überhaupt gibt. Damit ist sichergestellt, dass in drei Jahren maximal 5 t Trockenmasse pro ha ausgebracht werden. Bei einmaliger Ausbringung werden damit durchschnittlich weniger als 40 kg löslicher Stickstoff pro ha ausgebracht. Das entspricht ca. einem Fünftel des Bedarfes bei Getreide. Da Abwassersubstrat zudem der Sperrfrist unterliegt, darf es nur dann ausgebracht werden, wenn die Acker-Kulturen auch Stickstoff aufnehmen. Die Gefahr der Auswaschung von Stickstoff durch den Einsatz von Abwassersubstrat ist insgesamt vernachlässigbar und so gering wie bei keinem anderen Düngemittel. Dementsprechend gering ist auch die Wirksamkeit eines Dünge-Verbotes von Abwassersubstrat.

Zum anderen macht der Blick auf eine Landkarte, in der die Gebiete hoher Nitratbelastungen des Grundwassers verzeichnet sind deutlich, dass es sich dabei vor allem um Gebiete mit hoher Viehdichte und um Gebiete mit intensivem Gemüsebau handelt. In diesen Gebieten wird Abwassersubstrat jedoch ohnehin nicht als Düngemittel eingesetzt: Die deutsche Klärschlammverordnung verbietet jegliche Anwendung sowohl auf Grünland als auch im Gemüsebau. In den Gebieten, die den größten Handlungsbedarf aufweisen, ist das geplante Düngeverbot von Abwassersubstrat also vollkommen wirkungslos. Insgesamt könnte sich die Maßnahme sogar als schädlich erweisen, weil der Mangel an organischen Düngern durch einen verstärkten Einsatz von Mineraldüngern ausgeglichen werden muss. Bei Mineraldüngern ist die Gefahr der Auswaschung von Sticktoff jedoch erheblich größer.

Phosphor und Nährstoffe zurückgewinnen?

Die Bundesregierung hat eine Förderinitiative zur Entwicklung von Verfahren zum Recycling von Phosphor und ggf. anderen Nährstoffen aus Abwasser und Abwassersubstraten gegründet. Bislang beschränken sich alle bekannten Verfahren auf die Rückgewinnung von Phosphor. Eine Rückgewinnung von anderen Nährstoffen ist nach dem heutigen Stand der Technik nicht möglich. Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwassersubstrat setzt i.d.R. eine Verbrennung des Materials voraus. Die Rückgewinnung erfolgt anschließend unter hohem technischem Aufwand aus der Asche.

Abwassersubstrat enthält zwischen 95 und 60 % Wasser. Voraussetzung für eine Verbrennung ist deshalb zunächst eine Trocknung des Materials. Da für eine Trocknung Energie benötigt wird, ist dies immer mit Kosten verbunden. Auch für Bau und Betrieb von Verbrennungsanlagen müssen finanzielle Mittel aufgewendet werden. Zur Gewinnung von Phosphor aus der Asche entstehen weitere Kosten für den Bau der Anlagentechnik sowie für den anschließenden Betrieb. Im Vergleich zur direkten Verwertung von Abwassersubstrat in der Landwirtschaft betragen die Kosten des Recyclings von Phosphor ein Vielfaches. Bei der Verbrennung geht die wertvolle organische Substanz, die zur Humusbildung auf Ackerböden beiträgt, verloren. Ebenso gehen alle übrigen Nährstoffe, wie Stickstoff, Schwefel, Magnesium, Kalk sowie die wertvollen Spurenelemente wie Kupfer, Zink Bor, Mangan etc., die Landwirte mit der Abnahme von Abwassersubstrat bisher kostenlos erhalten, unwiederbringlich verloren.

Ökonomisch ist die Gewinnung von Phosphor aus der Asche von Abwassersubstrat also ein Desaster: Die Kosten für die Beseitigung von Abwassersubstraten werden sich vervielfachen. Die Kosten für die Verbrennung werden steigen, weil es zur Verbrennung keine Alternative mehr gibt. Marktwirtschaftlich entsteht für Energiekonzerne als Betreiber von Verbrennungsanlagen eine Monopolstellung. Diese zu erwartende Kostenexplosion wird der Abwassergebührenzahler zu tragen haben. Die Preise für Phosphor werden wegen der kostenintensiven Rückgewinnung ebenfalls deutlich steigen. Um das Phosphatrecycling großtechnisch wirtschaftlich betreiben zu können, müsste ein Marktpreis von 5-10 €/kg Phosphor erzielt werden, während der Marktpreis derzeit bei ca. 70 Cent/kg liegt. Dies verteuert letztlich die Nahrungsmittelproduktion und damit die Nahrungsmittelpreise. Insgesamt ist eine entsprechende Schwächung der Kaufkraft die unvermeidliche Konsequenz.

Ökologische Konsequenzen eines Düngeverbotes von Abwassersubstraten

Im Einleitungstext des BMBF/BMU zur Förderinitiative "Kreislaufwirtschaft für Pflanzennährstoffe, insbesondere Phosphor" heißt es: „Seit Jahrzehnten wird der bei der Abwasserreinigung entstehende Klärschlamm, obwohl er die Schadstoffsenke bei der Abwasserreinigung ist, landwirtschaftlich verwertet, um die dort gebundenen Nährstoffe Phosphor und Stickstoff in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen.“ Bei dieser Formulierung wird der Begriff „Schadstoffsenke“ neu interpretiert:

Bei der Reinigung von Abwasser sollen zur Vermeidung der Gewässereutrophierung die Stoffe entzogen werden, die für Gewässer schädlich sind. Dabei kommen grundsätzlich drei Verfahren zur Anwendung. Die mechanische Behandlung durch Sandfang und Rechenanlagen, die chemische Behandlung zur Fällung von Phosphor sowie biologische Verfahren zum Abbau der Organik und zur Elimination von Stickstoff. Während organische Stoffe, Phosphor und Stickstoff also Schadstoffe für Gewässer sind, sind sie gleichzeitig Nährstoffe für Böden. Klärschlämme werden also nicht als Dünger eingesetzt obwohl sie Schadstoffsenke sind, sondern weil sie Schadstoffsenke sind - Schadstoffe für Gewässer wohlgemerkt und gleichzeitig Nährstoffe für Böden. BMBF und BMU verwenden den Begriff "Schadstoffsenke" jedoch nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung. Hier sind offensichtlich vielmehr schädliche Umweltchemikalien gemeint.

Schwermetalle und chemische Verunreinigungen werden jedoch nur zum Teil und nur zufällig durch Sorption an Klärschlammflocken aus dem Abwasser gefiltert. Zum überwiegenden Teil gelangen diese Schadstoffe mit dem Kläranlagenablauf in die Flüsse. Der Anteil solcher chemischen Verbindungen ist in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der Bemühungen um eine Verbesserung der Qualität der Klärschlämme stetig zurückgegangen. Im Rahmen freiwilliger Qualitätssicherungssysteme sollten diese Bemühungen zukünftig verstärkt werden. Ziel war es dabei, die Belastung der Abwässer mit Schadstoffen auf ein natürliches Maß zu reduzieren. So wäre eine Fortsetzung der Düngung mit Abwassersubstrat möglich gewesen, d.h. der Kreislauf aller Nährstoffe inklusive Organik ohne immensen finanziellen und technischen Aufwand wäre erhalten geblieben. Gleichzeitig hätte die Belastung der Gewässer mit Umweltchemikalien weiter abgenommen.

Diese Entwicklung hin zu einer funktionierenden und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zum Wohle der Umwelt und der Allgemeinheit wird nun durch den Beschluss zur Beendigung der landwirtschaftlichen Verwertung von Abwassersubstraten nicht nur gestoppt, sie wird vermutlich sogar umgekehrt: Da Klärschlämme zukünftig verbrannt werden, sind Grenzwerte z.B. für Schwermetalle zukünftig nicht mehr relevant - für den Kläranlagenablauf existieren keine Schwermetallgrenzwerte. Auch bei der Verbrennung von Klärschlämmen spielet der Gehalt an Schwermetallen und Umweltchemikalien kaum eine Rolle. Die Industrie kann solche Chemikalien zukünftig wieder vermehrt in Abwässer einleiten. Es ist davon auszugehen, dass die Belastung der Gewässer mit Umweltchemikalien in Deutschland zukünftig wieder ansteigen wird.

Sowohl die Umwelt als auch die Verbraucher werden mit diesem Beschluss der großen Koalition erheblich belastet. Aber es gibt auch Gewinner: Die Energiekonzerne als Betreiber von Verbrennungsanlagen und die Hersteller von Düngemitteln dürfen sich über zukünftig steigende Umsätze freuen. Die Verbrenner können sich jetzt schon freuen: Die Preise für die Verbrennung von Abwassersubstrat sind unmittelbar nach Bekanntwerden des Koalitionsbeschlusses bereits durchweg um 5 €/Tonne für 2015 gestiegen.

Vor diesem Hintergrund muss man sich schon fragen: Für wen wird diese Politik eigentlich gemacht?


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